Bergrettung Niederösterreich/Wien im Katastropheneinsatz in der Türkei

Bergrettung Niederösterreich/Wien im Katastropheneinsatz in der Türkei

Bergrettung Niederösterreich/Wien im Katastropheneinsatz in der Türkei – die Einsatzmeldung der anderen Art 

„Erdbeben in der Türkei, eventueller Einsatz der AFDRU.“ sind die ersten Worte, die ich am 6. Februar gegen 6:30 Uhr höre. Da mein Bürotag im Regelfall um 8:00 Uhr beginnt, war ich noch im Bett als mich unser Ansprechpartner des Österreichischen Bundesheeres, genauer gesagt der Austrian Forces Disaster Relief Unit (kurz AFDRU), anrief, um uns über einen möglichen Einsatz zu informieren. Das Telefonat bringt Gewissheit: Das Erdbeben in der Türkei und in Syrien bietet Anlass für den ersten AFDRU Einsatz seit dem Beginn unserer nun vierjährigen Partnerschaft zwischen Bundesheer und der Bergrettung Niederösterreich/Wien. Schnell einen Kaffee aufstellen und nachdenken was die nächsten Schritte für mich sind. 
Bei einem „klassischen“ Bergrettungseinsatz sind die Prozedere der Einsatzvorbereitung eingespielt, für einen Einsatz mit rund zweiwöchiger Einsatzdauer und einem Einsatzraum, der rund 2.200 Kilometer entfernt ist noch nicht. Daher Kopf schief halten und die Checkliste für unser Team vorbereiten, dem eine akribische Recherche vorausgeht. Ich fasse möglichst viele Informationen zusammen, um das weitere Vorgehen planen zu können. Nach einem kurzen Blick in die Zeitung ist das Ausmaß der Katastrophe schnell klar: Das Erdbeben mit der Stärke hinterlässt eine unfassbare Zahl an Opfern und ein Bild der Zerstörung. 
Nach den ersten Informationen wurden 20 Bergretter:innen, welche bereits den Basiskurs der AFDRU absolviert haben, mit den wesentlichsten Informationen versorgt und deren Verfügbarkeit abgefragt. Für Einsätze in den Bergen Niederösterreichs, die im Regelfall einen Tag in Anspruch nehmen, kann man sich doch schneller Zeit nehmen als für eine Einsatzdauer von zehn Tagen und länger auf türkischem Boden. Es findet sich ein Einsatzteam von fünf speziell ausgebildeten Bergretter:innen unserer Ortsstellen Triestingtal, Hohe Wand und Reichenau. Ein weiterer Bergretter der Ortsstelle Lilienfeld bildete unsere „Homebase“. Seine Aufgaben sind den Gesamtüberblick zu behalten, Medien zu betreuen, Angehörige informiert zu halten und auch organisationsintern die wichtigsten Informationen zu teilen.

Vorbereitungen 
Während wir die Vorkehrungen treffen, ergeht um 13:00 Uhr die entscheidende Meldung an die freiwilligen Bergretter:innen, wonach wir uns bis 18:00 Uhr im ABC-Abwehrzentrum in Korneuburg der Heimat der AFDRU, einfinden sollen. Hier erfolgt die organisationsübergreifende Einsatzkoordinierung. Damit heißt es auch für mich, das wichtigste zu packen, rein ins Auto und noch die fehlenden Dinge einkaufen. 
Zeitgleich dazu eine Information an den Bundesverband der Bergrettung Österreich, dass wir mit fünf Bergretter:innen ins Ausland fahren werden sowie die anstehenden (Büro-)Termine absagen. An was man alles denken muss, wenn man von jetzt auf gleich in den Einsatz geht. Auch die Übergabe der Landesgeschäftsstelle musste noch erledigt werden, da ich wohl die nächsten Tage keine Zeit für meine die administrativen Tätigkeiten haben werde. Großes Lob und ein Danke an meine Kolleg:innen, welche es möglich machen, dass auch ich Teil dieser kurzfristig anberaumten Rettungsmission sein kann.
Nach dem Eintreffen in der Kaserne heißt es zuerst den Onboarding-Prozess zu durchlaufen. Dabei müssen die persönlichen Daten aktualisiert, Notfallkontakte angeführt, ein medizinischer Check absolviert und persönliches Material aufgefasst werden. Nach positiver Absolvierung gab es grünes Licht für die Teilnahme an dieser Mission. Umgehend danach geht es für das Vorauskommando Richtung Militärflughafen Hörsching, um von dort mit einer Hercules in den Einsatzraum zu verlegen. 

Die Reise ins Ungewisse beginnt… 
Im Vorauskommando ist neben Major Bernhard Lindenberg als Kontingentskommandant und selbst ehrenamtlicher Bergretter, ein weiteres Mitglied der Bergrettung NÖ/W vertreten.
Für den Rest der Bergretter:innen geht es gegen 02:00 Uhr ins Bett und bereits um 06:00 Uhr weiter mit den letzten Vorbereitungen. Gegen 17:00 Uhr finden wir uns in Wien Schwechat am Rollfeld ein – Boarding beginnt, Abflug geglückt. Nun trennen uns noch rund 2.200 Kilometer vom Einsatzraum – ein Flug ins Ungewisse.

Hier will ich die Chance nutzen und dem Team der Austrian Airlines einen großen Dank aussprechen. Sie haben uns nicht nur freundlich umsorgt, sondern uns beim Flug noch mit Essen und Getränken eingedeckt. Es wird die letzte „richtige“ Nahrung für einige Zeit bleiben. Gegen 00:00 landen wir in Adana und warten auf die erste Cargomaschine mit den wichtigsten Ausrüstungsgegenständen für den Einsatz. Nach der Entladung des Flugzeugs geht es mit Bussen und LKWs in die rund 200 km entfernte Stadt Antakya. Die Stadt mit rund 400.000 Einwohner:innen wird für die nächsten Zeit unser Zuhause sein. 
Bereits am Weg in unsere BoO (Base of Operations), also dem Ort an welchem die internationalen Hilfskräfte der Stadt ihr Lager aufschlagen, zeigt sich das verheerende Bild. Unendlich viele Häuser liegen in Trümmern, Straßen sind zerstört und eine unzählbare Zahl an Menschen wartet vor den eingestürzten Häusern auf Hilfe. Mit der Ankunft beginnt für rund die Hälfte des Kontigents der Aufbau der BoO und für die andere Hälfte der Einsatz an unterschiedlichen Schadstellen.

Drei Bergretter:innen sind im Rette- und Bergeelement eingegliedert. Zwei weitere – mich eingeschlossen – haben die Funktion eines Verbindungsoffiziers. Meine Hauptaufgabe wird es sein im UCC (Urban Search and Rescue coordination cell) – also einer Art internationale Einsatzleitung – mitzuarbeiten und bei der Koordination aller internationalen Teams in der Türkei zu unterstützen. Sofern wir nicht in der Funktion eines Verbindungsoffiziers tätig sind, gliedern wir uns in ein Rette- und Bergeelement ein, um auch körperlich an der Rettung von Menschenleben mitzuwirken. 

Einsatztaktik 
Damit man sich die Arbeit an einer solchen Schadstelle vorstellen kann, möchte ich einen kurzen Überblick geben: Zuerst werden im Regelfall die Suchhunde auf die Schadstelle geschickt, diese versuchen die Witterung von lebenden Personen aufzunehmen. Sofern die Suchhunde etwas wahrnehmen können, bellen sie und zeigen damit einen Fund an. Danach wird – sofern kein Rufkontakt hergestellt werden kann – mit Schallortungsgeräten versucht eine genaue Position der verschütteten Person festzustellen. Sobald das gelungen ist beginnt die harte körperliche Arbeit, mit Hilfe unterschiedlicher Werkzeugen, Hilfs- und Bergemittel, den Zugang zu den lebenden Person freizulegen. Dies gelingt allerdings nicht in einer Stunde oder zwei, sondern nimmt meist mehrere Stunden in Anspruch.
Ab dem ersten Auftrag im UCC verschwimmen für mich die Zeiten und Tage. Aufgrund der Schichtarbeitet und der Vielzahl an Aufgaben, hat der Zeitbegriff an Bedeutung verloren. Im Regelfall lautet der Tagesablauf: Essen, Arbeiten, Essen, Schlafen und wieder von vorne. Oft sind es bis zu 16 Stunden-Schichten, welche die Rette- und Bergetrupps auf den Schadstellen verbringen, um so gut als möglich zu helfen. Es ist der Anspruch jedes einzelnen des gesamten Kontigents alles zu geben, damit wir gemeinsam erfolgreich sein können. Natürlich bleibt wenig Zeit für Schlaf: in den ersten Tagen kommen wir auf nur rund drei bis fünf Stunden.

Kampf gegen die Zeit 
Mit der fortschreitenden Zeit wird es leider nicht nur unwahrscheinlicher Menschen lebend aus den Trümmern zu retten, sondern es nimmt auch die Erschöpfung der Retter:innen zunehmend zu. Dennoch: Die Motivation des gesamten Kontingents bleibt extrem hoch, da immer wieder lebende Personen aus den Trümmern gerettet werden konnten.
Es ist ein enorm emotionaler Moment, wenn man stundenlang arbeitet, um bis zu den Lebenden vorzudringen und diese dann aus den Trümmern bergen kann. Ein besonders berührender Moment für das gesamte Kontingent war es, als zeitgleich fünf Personen, welche nahezu unverletzt waren, aus den Trümmern gezogen werden konnten.
Gemeinsam gelingt es der AFDRU neun Menschenleben zu retten. Bei jeder einzigen Schadstelle spürt man die Dankbarkeit der lokalen Bevölkerung, die uns trotz dieser Katastrophe mit heißem Tee und lokalen Köstlichkeiten versorgen.

Heimreise 
Jeder Einsatz geht irgendwann zu Ende und so bereiten auch wir am Tag sieben unsere Heimkehr vor. Nach sieben Tagen in der Stadt Antakya geht es nun für uns zurück nach Adana. Nach zwei Tagen interner Nachbereitung, psychologischem Debriefing und Lessons learned-Prozessen treten wir die Heimreise nach Österreich an. Die Ankunft am Flughafen Wien Schwechat ist unglaublich emotional und voller Dankbarkeit. Die türkische Community hat uns einen einzigartigen Empfang bereitet. Die betroffenheit und der Stolz, dass auch Österreich seinen Beitrag leistet war den Menschen ins Gesicht geschrieben.

Fazit 
Viele fragen sich, ob ein solcher Einsatz sinnvoll ist, oder ob die Bergrettung dabei wirklich einen Beitrag leisten kann? Auch die Frage, ob es Entbehrung und Risiko wert sind. Für uns Bergretteretter:innen lautete die Antwort ganz klar: Ja!
Die internationale Solidarität wird auch uns Österreicher:innen zuteil. Denken, wir an den Einsatz in Reichenau im Herbst 2021 beim größten Waldbrand in der Geschichte unseres Landes. Und ganz abgesehen von den vielen einsatztaktischen Erfahrungen, die wir in der Heimat in der Höhen- und Tiefenrettung einsetzen können, gibt es wohl nur wenige, schönere Gefühle im Leben, als Menschen, denen das Schicksal alles genommen hat zu helfen. 

Fotos: © ÖBRD
Halbjahresstatistik 2022

Halbjahresstatistik 2022

Die ehrenamtlichen Mitglieder der Bergrettung Niederösterreich/Wien rückten in der ersten Jahreshälfte 2022 bereits 455-mal zu Einsätzen aus, bei denen insgesamt 494 Personen gerettet werden konnten. Generell können wir hier im Vergleich zum Vorjahr einen leichten Rückgang der Einsatzzahlen verzeichnen. Von diesen 455 Einsätzen wurden 47 in der Nacht durchgeführt, was knapp über 10% entspricht. Nachteinsätze machen somit zwar nach wie vor einen geringen Anteil der Einsatztätigkeit der Bergrettung aus, jedoch stellen diese höhere Herausforderungen und größere Gefahren für die Bergrettungsmannschaften dar. „Viele Einsätze im unwegsamen Gelände, welche tagsüber häufig in Zusammenarbeit mit einem Rettungshubschrauber übernommen werden, müssen in der Nacht durch Bergretter*innen gestemmt werden. Diese Einsätze stellen uns immer auch vor größere Gefahren, da durch die eingeschränkte Sicht eine Gefahrenbeurteilung des Geländes schwieriger wird“, so Landesleiter Matthias Cernusca.

Der Anteil der unverletzten geborgenen Personen ist bei der Gegenüberstellung zum Vergleichszeitraum 2021 um 9% gestiegen. Die Anzahl der verirrten Personen sogar um 38%. „Personen ohne Verletzung, welche Hilfe durch die Bergrettung benötigen, werden in den vergangenen Jahren immer mehr und stellen uns vor große Herausforderungen in unserer ehrenamtlichen Arbeit. Fehlende Tourenplanung und eine falsche Selbsteinschätzung sind dazu die wesentlichen Treiber der Einsätze von unverletzten Personen.“ so Cernusca weiter.

Die Bergrettung Niederösterreich/Wien möchte aus diesem Anlass zum wiederholten Male auf die Wichtigkeit einer umfangreichen Tourenplanung hinweisen. Hierbei sollten beispielsweise auf den Wetterbericht Rücksicht genommen und Alternativrouten geplant werden, sollten sich die Bedingungen vor Ort stark verschlechtern. Die Ausrüstung sollte an die Witterung, Dauer, Art und Schwierigkeit der Tour angepasst sein. Ebenso wichtig ist es Angehörige über die geplante Tour sowie die ungefähre Rückkehrzeit zu informieren. Weitere Tipps finden Sie auf unserer Website. Ein Informationsvideo zur Tourenplanung finden Sie auf unserer Homepage unter: https://bergrettung-nw.at/news/tourenplanung-im-sommer/

Grafik und Titelbild: © Georg Krewenka

10 Einsätze in 10 Tagen

10 Einsätze in 10 Tagen

OK. Zugegeben, für mich war es der erste Einsatz in diesen zehn Tagen. Den Rest mussten die Kamerad*innen der Ortsstelle Reichenau ohne mich bewerkstelligen. Umso mehr freute es mich, dass ich auch selbst wieder einmal mithelfen konnte, um eine Person aus einer alpinen Notlage zu befreien. Aber dazu springen wir ein wenig zurück und nehmen dich mit auf diesen nächtlichen (Such-)Einsatz.

Montagabend, nach einiger Zeit wieder einmal in der Heimat war ich mit einem Freund zum Essen verabredet. Ein schöner lauer Sommerabend bei gutem Essen und netten Gesprächen im Gastgarten. Bei der Heimfahrt gegen 22:00 Uhr, ca. auf der Höhe Wr. Neustadt, läutet dann – zum dritten Mal an diesem Montag – die Alarmierungsapp. Diesmal „Alpineinsatz Vermisste/Abgängige Person – bei Treffpunkt nicht erschienen“.

Kurz nachdenken, ob das gesamte Bergmaterial – wie es bei vielen Bergretter*innen üblich ist – im Auto liegt und direkt Richtung Reichenau. „25 Minuten“ als kurze Chatnachricht an die Einsatzleitung, damit diese die personellen Ressourcen gleich zu planen beginnen kann.

Solche Sucheinsätze sind im Vorfeld immer sehr schwierig einzuschätzen, da von „Sitzt im Gasthaus beim vierten Bier“ bis zu tödlichen Abstürzen erfahrungsgemäß leider alles vorkommen kann. Solange die Person aber nicht gefunden ist, heißt es für uns als Bergretter*innen die Nadel im Heuhaufen zu suchen. Knapp 25 Minuten später schlage ich also noch im Ausgehoutfit in der Einsatzzentrale auf und melde mich bei der Einsatzleitung. Raus aus dem Polo und der Leinenhose und hinein in das Bergrettungsoutfit. Eigentlich trage ich ohnehin lieber Bergbekleidung.

Die Informationen zur Ausgangslage sind im heutigen Fall sehr dürftig. Eine junge Frau, welche laut Melder alleine unterwegs war, wollte mit den beiden Männern, welche sie beim Aufstieg auf die Rax traf, zurück nach Wien fahren. Ist aber beim vereinbarten Treffpunkt nicht aufgetaucht. Hier möchte ich den beiden jungen Männern ein großes Lob aussprechen! Wie viele von uns hätten in der heutigen Zeit so reagiert? Oder wäre der Gedanke eher gewesen: „Sie wird schon irgendwie anders heimkommen.“?

Wir hatten also bis auf den Vornamen, eine mäßig genaue Personenbeschreibung und den Standort des letzten Sichtkontakts der drei keine Anhaltspunkte für die Suche. Wie üblich beginnt die Einsatzleitung die Hütten abzurufen um Informationen über die Nächtigungsgäste zu erhalten. „Schläft bei euch eine junge Frau, welche alleine unterwegs ist?“. Am Ottohaus ein vermeintlicher Treffer. Junge Frau, alleine unterwegs, könnte also passen. Mit dieser Info waren wir bereits ein wenig erleichtert, da es nach einem kurzen Einsatz aussieht… kam leider doch anders. Einige Minuten und zwei, drei Weckversuche des Hüttenbediensteten später, hatten wir die Dame am Telefon. Vorname und Beschreibung weichen so weit von der Gesuchten ab, dass gleich klar war „Für uns doch kein Bett in Sicht“.

Durch die Einsatzleitung gibt es Informationen zum Sachverhalt (Aussehen, letzter Sichtkontakt, Name, …) an alle anwesenden Bergretter*innen, die Gruppen bzw. Suchbereiche werden eingeteilt, Zusatzmaterial wie Seile eingepackt und Abfahrt für die erste Mannschaft Bergretter*innen. Zu fünft geht es für uns über den Preinerwandsteig hinauf zum Preinerwandkreuz. Es gilt jede Rinne so gut wie möglich auszuleuchten und Ausschau nach Hinweisen auf den Verbleib der jungen Dame zu finden. Während wir aufsteigen und dabei immer wieder rufen, gesellt sich auch der FLIR-Hubschrauber der Flugpolizei hinzu. Seine Aufgabe ist es mittels Wärmebildkamera und Suchscheinwerfer möglichst das gesamte Gebiet abzufliegen und nach menschlichen Wärmequellen Ausschau zu halten. Spoiler: Bis auf die Bergretter*innen und zahlreiche tierische Waldbewohner wird er heute leider nichts entdecken. Zu uneinsichtig ist die Stelle an dem sich die Gesuchte befindet.

Währenddessen machen sich weitere Teams auf den Weg um systematisch Wege im primären Suchgebiet abzusuchen. Auch das Drohnenteam des Notruf Niederösterreichs ist bereits alarmiert und in Anfahrt, um uns bei der Suche zu unterstützen. Wir steigen also auf, grübeln über die Möglichkeiten des Verbleibs, schauen links, schauen rechts, schauen rauf, schauen runter und rufen nach der Dame. Auch der FLIR-Hubschrauber muss nach einiger Zeit erfolglos abziehen.

Kurz vor dem Ausstieg des Preinerwandsteigs ertönt es von einem der Suchteams am Funk „Rufkontakt im Bereich Bachleiten“… da sind wir wohl ein paar Höhenmeter zu weit oben mit unserer Mannschaft. Rufkontakt heißt allerdings nicht, dass der Einsatz gelaufen ist. Man weiß zu diesem Zeitpunkt noch nichts über den Zustand der gesuchten Person. Verletzt? Unverletzt? Erschöpft?

Daher wird von einer weiteren Mannschaft eine Trage ins Suchgebiet transportiert und wir nehmen die Füße in die Hand, um schnellstmöglich über den Holzknechtsteig nach unten zu gelangen. Wer den Holzknechtsteig kennt weiß, dass man da in kurzer Zeit einige Höhenmeter vernichten kann. Es dauert also nicht allzu lange bis wir auf die Bergretter*innen und die Gesuchte treffen. Gott sei Dank unverletzt und in einer sehr guten physischen und psychischen Verfassung. Gemeinsam steigen wir den Rest bis zur Forststraße ab und begeben uns mit dem Einsatzfahrzeug zurück in die Zentrale. Bei der Ausgangslage und den vielen fehlenden Informationen auch für uns eine Überraschung, dass wir so schnell fündig geworden sind und es so gut ausgegangen ist.

Da die Gesuchte öffentlich angereist ist, in Wien wohnt und es halb vier in der Früh ist, wird ihr noch Quartier in unserer Einsatzzentrale angeboten, welches sie mit großer Freude annimmt. Nach einem „Vielen Dank für eure Hilfe“ geht es für sie ins Bett. Die Mannschaft versorgt das gesamte Material und kann die Leistung mit einem kühlen Erfrischungsgetränk belohnen.

Ist es um 03:30 Uhr eigentlich Frühstück oder Abendessen? Vermutlich abhängig davon, ob es wie bei vielen direkt in die Arbeit geht oder man noch ein, zwei Stunden schlafen darf.

Fotos: © ÖBRD
Einer der größten Waldbrände in der Geschichte Österreichs

Einer der größten Waldbrände in der Geschichte Österreichs

Eine Chronologie aus Sicht der Bergrettung

 

Montag, 25.10.2021 – Tag 1

Als an diesem strahlenden Herbsttag um 12:06 Uhr die folgende Einsatzmeldung für die Bergrettung Reichenau hereinkommt, ahnt noch niemand, dass dies den Beginn eines fast zweiwöchigen Katastropheneinsatzes im Zuge „eines der größten Waldbrände in der Geschichte Österreichs“ einläutet:

„Hirschwang/Rax, Waldbrand, Personenschaden unbekannt, Feuerwehr und Polizei in Anfahrt, Feuer – unbekannter Zustand.“

Schnell stellt sich heraus, dass glücklicherweise keine Personen unmittelbar betroffen oder gar zu Schaden gekommen sind. Ebenso rasch klar ist allerdings auch, dass der Brand, der am Mittagsstein gegenüber der Raxseilbahn ausgebrochen ist, nicht so einfach in den Griff zu bekommen ist. Der starke Wind facht das Feuer, das auf einer Fläche von rund fünf Hektar wütet, immer wieder an.

Nach einem ersten Lagebild wird ein Feuerwehrtrupp mit Löschdecken zu Fuß losgeschickt. Aufgabe der Bergrettung ist es, für die Sicherheit der Feuerwehrleute in dem steilen, unwegsamen Gelände zu sorgen. Die Bodentruppen müssen jedoch rasch wieder abgezogen werden, da Steinschlag und herabfallende brennende Wurzelstöcke eine beträchtliche Gefahr für die Einsatzkräfte darstellen. Mit Hilfe von drei Hubschraubern des Innenministeriums sowie eines Black Hawks des Bundesheeres wird ein Löschversuch aus der Luft unternommen – mit mäßigem Erfolg. Mit Einbruch der Dunkelheit wird der Einsatz unterbrochen. Insgesamt waren an diesem Tag 240 Einsatzkräfte unterwegs, darunter 20 Personen der Bergrettung Reichenau. Vorläufiges Einsatzende für die Bergrettung Reichenau: 18:19.

Dienstag, 26.10.2021 – Tag 2

Als der Morgen des 26. Oktobers anbricht, hat sich der Brand mittlerweile auf eine Fläche von etwa 115 Hektar ausgebreitet. Die Feuerwehr spricht bereits von dem „größten Waldbrand, den es je gab“. Nach wie vor erfolgt der Löscheinsatz aus Sicherheitsgründen vorwiegend aus der Luft. Insgesamt sind an diesem Tag acht Helikopter, darunter zwei Black Hawk des Bundesheeres unermüdlich mit der Bekämpfung der Flammen beschäftigt.

Rechts und links des Brandherdes werden Brandschneisen geschlagen, um das Feuer einzudämmen.  Die Ortstelle Reichenau hält sich in Bereitschaft und steht auf Abruf zur Verfügung, um die Feuerwehr in jeder erdenklichen Weise zu unterstützen, sobald etwa Sicherungsarbeiten zu leisten sind oder sich jemand aus der Schar der rund 300 Einsatzkräfte vor Ort verletzten sollte. Gleich am Vormittag, um 10:21 Uhr, kommt es tatsächlich zu einem Vorfall, bei dem ein 53-jähriger Forstarbeiter verletzt wird und versorgt werden muss.

Seitens der Bergrettung Reichenau wird am Nachmittag der zuständige Gebietseinsatzleiter über eine voraussichtliche längere Einsatzdauer informiert. Noch steht nicht fest, in welchem Ausmaß und in welcher Form die Unterstützung der Bergrettung in den nächsten Tagen erforderlich sein wird und ob diese Aufgabe durch die Ortstellenmitglieder Reichenaus allein bewältigbar ist. Einsatzkräfte aus den Nachbarortsstellen machen sich für einen möglichen Gebietseinsatz bereit.

Mittwoch, 27.10. – Tag 3

Die Situation spitzt sich zunehmend zu. Der Waldbrand wird rückwirkend mit Dienstagfrüh zum Katastropheneinsatz erklärt. Alle Kräfte müssen aufgeboten werden, um nicht auf eine weitere – womöglich noch viel größere Katastrophe zuzusteuern: Der Wind hat sich gedreht und es besteht die Gefahr, dass das Feuer auf das gegenüberliegende Raxgebiet übergreift. In der Früh wird der Einsatzstab der Bergrettung unter der Führung von Gebietsleiter Hans Hirschler gebildet. Am Nachmittag wird die durch das Höllental führende Bundesstraße für unbestimmte Zeit gesperrt.

Um 12:37 Uhr wird seitens der Bergrettung Gebietsalarm ausgelöst und Einsatzkräfte aus den umliegenden Ortschaften angefordert. Ab dem frühen Nachmittag ist die Bergrettung mit fünf Mannschaften im Einsatz, um die Feuerwehrleute sowie die Forstarbeiter, welche mit dem Schlagen der Brandschneisen beauftragt sind, bestmöglich zu unterstützen. Mit einer Gruppe ist die Bergrettung im Bereich Fuchslochgraben zugegen, um die Waldbrandgruppe im steilen, teils felsdurchsetzten Gelände zu sichern.  Darüber hinaus ist die Bergrettung dabei behilflich, eine Wasserversorgung von der Schwarza zur Bundesstraße zu legen, um dort für einen etwaigen Funkenschlag auf die Rax gewappnet zu sein. Auch für die Verpflegung der Holzschlägertruppe wird seitens der Bergrettung gesorgt. Am Boden sind darüber hinaus weitere 13 Bergretter:innen in Bereitschaft, welche abrufbar sind, sobald die Feuerwehren in das Steilgelände vorrücken kann, als auch um als Rettungsgruppe für verletzte Personen zur Verfügung zu stehen.

Donnerstag, 28.10. – Tag 4

Am frühen Morgen treffen die Helferinnen und Helfer nach und nach in der Bergrettungszentrale ein. Nachdem sich die Einsatzleitung der Bergrettung in Hirschwang mit den übrigen Einsatzorganisationen abgestimmt hat, werden die Bergretter:innen den verschiedenen Gruppen zugeteilt und genau im Hinblick auf ihren jeweiligen Aufgabenbereich instruiert. Der Unterstützungseinsatz direkt am Einsatzort umfasst insbesondere die Sicherung im Steilgelände einschließlich der Errichtung von Seilgeländer und die Unterstützung bei der Wegfindung, Gelände- und Glutnestererkundung. Im Falle einer Verletztenbergung im Katastrophengelände steht eine Rettungstruppe unmittelbar zur Verfügung. Die Mannschaften sind sowohl bei der Verteidigungsfront im Bereich Fuchslochgraben/Feuerschneise West, bei der Feuerschneise Ost am Haaberg, als auch nach Bedarf im restlichen Katastrophengebiet vor Ort.

Aber nicht nur im Gelände sind Know How und höchste Einsatzbereitschaft der Bergretter:innen gefragt. Insbesondere die Einsatzleitung, welche primär von der Einsatzzentrale in Reichenau aus agiert, ist stark gefordert. An diesem Donnerstag, dem bereits vierten Einsatztag in Folge, steht die Bergrettung mit rund 50 Bergretter:innen aus ganz Niederösterreich sowie sieben Kraftfahrzeugen beim Waldbrand am Mittagsstein im Einsatz. Nochmal so viele sind aus den Gebieten Süd, Mitte und West in Reservebereitschaft. Neben der Koordination der Einsatzkräfte obliegt der Leitung nicht zuletzt auch die Verantwortung für die Gesundheit und Sicherheit der gesamten Mannschaft. Um diese zu gewährleisten und die Helfer:innen – einschließlich der unterstützten Feuerwehrkräfte – keiner vermeidbaren Gefahr auszusetzen, ist eine kontinuierliche Einschätzung und Überwachung der Lage unumgänglich. In dem steilen und felsdurchsetzten Gelände lösen sich etwa immer wieder Felsen aufgrund der Hitze.

Auch Fahrer und administrative Kräfte sind unermüdlich im Einsatz. Die eingesetzten Lenker:innen bringen Personen, Material sowie Verpflegung zum jeweils gewünschten Ort und legen dabei viele Kilometer zurück. Ein Einsatzprotokoll ist zu führen, benötigtes Material muss vorbereitet werden, der Informationsfluss über Funk (oder auch Telefon) ist zu koordinieren, damit etwa das angeforderte Material auch an den jeweiligen Bestimmungsort gelangt. Pressearbeit wird geleistet, unzählige Fotos und auch Videos für die Medienarbeit, aber auch zum Zweck der Einsatzplanung und Lagebeurteilung aufgenommen. Eine Anzahl von Einsatzkräften verharrt viele Stunden in Warteposition etwa für den Fall eines Unfalls im Rahmen des Brandeinsatzes oder um Kamerad:innen später abzulösen, was sich mitunter als größere Belastung erweisen kann als sich kontinuierlich aktiv einbringen zu können. Die Wichtigkeit dieser Reservemannschaft wird durch zwei weitere Vorfälle, bei denen sich Feuerwehrleute Verletzungen zuziehen, unterstrichen.

Kurz vor 17 Uhr trifft in der Zentrale ein Vertreter der Bergwacht Bayern ein, welcher über wertvolle Erfahrungen mit ähnlichen Einsätzen verfügt und dem Team in den nächsten Tagen beratend zur Seite steht. Auch hochrangige Politiker reisen an, um sich ein Bild der Lage zu machen, unter anderem in Person von Bundeskanzler Schallenberg. Dieser bezeichnet die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, zwischen Feuerwehr, Bundesheer, Polizei, Bergrettung und Rotem Kreuz als „wirklich beeindruckend“.

Ab 17:30 Uhr beginnen die Mannschaften der Bergrettung abzurücken, nach dem Eintreffen der letzten Gruppe erfolgt die Abschlussbesprechung. Die Einsatzleitung legt die (vorläufige) Gruppeneinteilung für den nächsten Tag fest.

Freitag, 29.10. – Tag 5:

Als die Einsatzkräfte in der Früh wieder in der Zentrale einrücken, steht bereits fest, dass sich die seitens der Forstverwaltung geäußerten Befürchtungen bewahrheitet haben: der Wind hat über Nacht die Glutnester neu entfacht und der am Abend des Vortages vorwiegend in der Erde schwelende Brand hat sich weiter – nämlich in Richtung Feichtaberg – ausgebreitet. In der Morgendämmerung erscheint der brennende Berg noch bedrohlicher. Die ostseitig geschlagene Feuerschneise am Haaberg wurde vom Feuer übersprungen, eine neue muss rasch geschlagen werden.

Mittlerweile wurde von 50 auf 60 Bergretter:innen aufgestockt, weitere Verstärkung soll folgen. Wie am Vortag werden rasch mehrere Mannschaften losgeschickt, um der Feuerwehr zu assistieren, Sicherungsarbeiten zu übernehmen, Glutnester aufzuspüren und vieles mehr. Aus den Funksprüchen der Bergretter:innen, die mit der Ortsstellenzentrale in ständigem Kontakt stehen, um über die Situation vor Ort informieren, lässt sich der Ernst der Lage deutlich ablesen. Von der Gruppe Haaberg wird starke Rauchentwicklung gemeldet, die Schütt ist steinschlaggefährdet und nicht begehbar, das Feuer wütet etwa 50 m östlich der Schütt. Die Gruppe Jagdsteig gibt die Info weiter, dass eine Reihe von Glutnestern aufgefunden wurde. Erneut meldet sich die Gruppe Haaberg: Ein brennender Wurzelstock ist in die neu geschlagene Waldbrandschneise gefallen, ein Löschhubschrauber ist auf dem Weg. Seitens der Forstverwaltung werden zwei Bergrettungsmitglieder angefordert, die als Warnposten fungieren sollen.

Die Einsatzleitung berät intensiv über die weitere Vorgehensweise. Die Sicherheit aller Beteiligten muss an erster Stelle stehen. Die Situation muss ständig aufs Neue evaluieren werden, daher kann ein Rückzug auch jederzeit erforderlich sein. Die Bergrettung hat aber auch die Sicherheit der Wanderer im Blick, die sich im Gebiet aufhalten. Zwei Bergretter werden losgeschickt, um am Feichtaberg Warnschilder zu plakatieren.

Am Kaisersteig oberhalb des Friedhofs in etwa 760m Seehöhe soll ein 8000 l-Falttank aufgestellt werden, der auch in der Nacht genutzt werden soll, um eine erneute Verschlimmerung der Lage über Nacht zu verhindern. Hierfür wird auch die Unterstützung der Bergrettung benötigt – eine Liste mit Bergretter:innen, die die Nachtwache übernehmen werden, wird erstellt.  Um 19 Uhr geht die erste Gruppe der Nachtmannschaft in den Einsatz. Gegen Mitternacht erfolgt wieder eine Lagebesprechung mit der Feuerwehr. Nachdem die Lage im Bereich oberhalb des Friedhof immer gefährlicher wird, wird entschieden, dass ein sichererer Aufenthaltsort aufgesucht wird. Eine kleine vorgeschobene Beobachtergruppe bleibt vor Ort.

Samstag, 30.10. – Tag 6:

Zeitig in der Früh, mit dem ersten Tageslicht, steigt eine Gruppe von Bergretter:innen auf, um den Zustand der am Vortag errichteten Seilgeländer zu kontrollieren. 68 ehrenamtliche Helfer:innen sind aus der Reihe der Bergretter:innen vor Ort, darunter auch Mannschaften aus der Steiermark mit elf Personen. Die bayrische Bergwacht stellt weitere vier Kräfte.

Um 11:21 Uhr kommt die Meldung, dass um ca. 14 Uhr Löschflugzeuge aus Italien im Anflug auf Reichenau sein werden. Mit Beginn des Löschflugzeug-Einsatzes um 15:15 Uhr erfolgt der Rückzug aller Mannschaften ins Tal.

Während die Einsatzkräfte der verschiedenen Einsatzorganisationen sich nun schon den sechsten Tag intensiv der Bekämpfung des verheerenden Brandereignisses widmen, tritt nun eine weitere, deutlich subtiler agierende Bedrohung auf den Plan. Es wird bekannt, dass es in den Reihen der eingesetzten Feuerwehrleute zu Covid-Fällen gekommen sein soll. Die Einsatzleitung reagiert rasch: Die gültigen Covid-Maßnahmen werden kurzfristig drastisch verschärft – die bestehende 3G-Regel wird zu einer 2G-Regel und das Höchstalter der beim Waldbrand eingesetzten Bergretter:innen auf 60 Jahre reduziert. Ebenso außer Dienst gestellt werden Risikopatient:innen. Die (tägliche) Durchführung eines Antigen-Tests vor Ort wird für alle Einsatzkräfte zur Voraussetzung für die Teilnahme am Einsatzgeschehen gemacht. Diese Regelungen treten mit dem Folgetag in Kraft.

Über Nacht wird eine Rufbereitschaft mit der Feuerwehr vereinbart.

Sonntag, 31.10. – Tag 7:

Der Hauptschwerpunkt liegt nun auf der Brandbekämpfung aus der Luft. Es sind insgesamt 16 Fluggeräte im Einsatz, die sich vorwiegend auf den Bereich Mittagsstein, wo der Brand seinen Ursprung genommen hat, konzentrieren. Der Einsatzbereich der Bergrettung bzw. der Bodenmannschaften der Feuerwehr liegt vorwiegend im Bereich Haaberg. Ganz nebenbei ist seitens der Bergrettung – ebenso wie am Vortag – auch ein Einsatz auf der Rax abzuwickeln.

Die Bemühungen der Einsatzkräfte in Verbindung mit dem großangelegten Löschangriff aus der Luft scheinen nun endlich Wirkung zu zeigen. Viele Glutnester konnten abgelöscht werden. Nun hofft man auf Regen, der für den nächsten Tag – allerdings erst am Abend – angekündigt ist.

Montag, 1.11. – Tag 8

Die Maßnahmen des Vortages werden auch am Allerheiligentag fortgesetzt. Nach wie vor konzentrieren sich die Bodenmannschaften einschließlich der Bergrettung auf das Gebiet Haaberg. Unterstützung erhält die Ortstelle Reichenau heute nicht nur aus anderen Ortstellen (aus Niederösterreich sowie Oberösterreich), sondern auch von sechs Personen der Höhenrettung Wien, welche sich aus der Berufsfeuerwehr Wien rekrutiert.

Im Zuge des Antigen-Screenings tritt nun der erste Covid-Verdachtsfall auch in den Reihen der Bergrettung auf. Die Mannschaft wird umgehend davon in Kenntnis gesetzt und auf die Gefahr einer möglichen Ansteckung hingewiesen.

Der ersehnte Wetterumschwung trifft wie vorhergesagt ein. Von Mitternacht bis in die frühen Morgenstunden regnet oder schneit es im Schneeberg-Gebiet – allerdings nicht ausreichend, um den Waldbrand gänzlich zu beenden.

Dienstag, 2.11. – Tag 9

Der Regen am Vortag hat leichte Entspannung gebracht, gleichzeitig aber die unwegsamen Steige sehr rutschig gemacht, was den Einsatz im steilen Gelände nun noch zusätzlich erschwert. Umso wichtiger ist die optimale Sicherung durch die Bergrettung, um Unfälle zu vermeiden. Auch an diesem Tag ist die Höhenrettung der Berufsfeuerwehr Wien zugegen und übernimmt zusammen mit Bergretter:innen diese verantwortungsvolle Aufgabe. Auch in die Suche nach Glutnestern sind die Mannschaften weiterhin involviert. Insgesamt elf Hubschrauber, darunter zwei Spezialhelikopter aus Deutschland, führen weiterhin die Brandbekämpfung aus der Luft durch.

An der Lagebesprechung in Hirschwang nehmen an diesem Tag auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Mikl-Leitner und Verteidigungsministerin Tanner teil.

Der Covid-Verdachtsfall in den Reihen der Bergrettung bestätigt sich. Im Rahmen der Antigentests sind darüber hinaus weitere Verdachtsfälle identifiziert worden. Um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, fällt die Entscheidung, keine neuen Kräfte mehr heranzuziehen, sondern ausschließlich jene, die bereits bisher im Rahmen des Einsatzes aktiv gewesen sind.

Mittwoch, 3.11. – Tag 10

Als sich am Mittwoch eine Reihe weiterer Verdachtsfälle bestätigt, muss eine schwierige Entscheidung getroffen werden. Bereits sieben Bergretter:innen – alle geimpft – weisen ein positives Testergebnis aus. Um die Einsatzfähigkeit an den Ortstellen nicht zu gefährden, fasst die Einsatzleitung der Bergrettung zusammen mit dem Landesleiter Matthias Cernusca den Entschluss, sich aus dem Katastrophengebiet vorerst bis zur Durchtestung aller Bergretter:innen mittels PCR-Test zurückzuziehen und die aktive Unterstützung vor Ort zu beenden. Die Bergrettung steht den Feuerwehren jedoch weiterhin beratend als auch im Falle einer Verletzung von Einsatzkräften zur Verfügung.

Am Samstag, den 6.11.2021 wird seitens der Feuerwehr schließlich vorläufiges Brandaus gegeben.

 

Zahlen und Fakten

  • Es waren insgesamt 239 Bergretter:nnen (187 Bergrettung NÖ/W, 42 Bergrettung STMK, 10 Bergrettung OÖ) plus 14 Mitglieder der Bergwacht Bayern im Einsatz.
  • Viele Bergretter:innen waren mehrere Tage, in Einzelfällen bis zu neun (!) Tage im Einsatz.
  • Es wurden von Bergrettung und Bergwacht Bayern insgesamt 5414 Einsatzstunden geleistet.
  • 25 Bergrettungsortsstellen aus Niederösterreich/Wien waren beteiligt.
  • Ein Bergretter wurde verletzt.

 

Text (c) Sabine Buchebner-Ferstl
Fotos (c) Georg Krewenka 

Fotobeschreibung Gruppenbild:
von links nach rechts: Georg Klecatsky, Thomas Docekal, Martin Boyer, Dietmar Fahrafellner, LH-Stv. Stephan Pernkopf, Matthias Cernusca, Michael Hochgerner, Bernhard Lindenberg, Michael Schieraus

 

Fotos: © ÖBRD
Einsatzablaufschilderung eines Bergretters

Einsatzablaufschilderung eines Bergretters

Ihr wolltet schon immer mal wissen, wie so ein Einsatz bei der Bergrettung abläuft?
Dafür hat einer unserer Bergretter einen Einsatz aus seiner Sicht für euch aufbereitet!

Ein schöner Sonntagnachmittag Ende November im südlichen Niederösterreich. Es herrscht klassisches Novemberwetter mit einer Inversionswetterlage. Am Berg wunderschön, angenehm warm und Sonnenschein, im Tal nebelig und frostig.
Da das berufsbegleitende Studium in den letzten Wochen etwas zu kurz gekommen ist und Oma heute Geburtstag hat, habe ich mich entschieden nicht auf den Berg zu gehen. Manchmal halten einen die Pflichten leider von den schönen Dingen im Leben ab – und gebackene Champignons bei Oma sind auch ein Grund mal zu Hause zu bleiben.

Kurz vor 14 Uhr – gerade über einem Essay brütend – läutet das Handy.
„Hahütitit“ – so oder so ähnlich klingt der Alarmierungston der Notrufapp. „Alpinunfall-Personenbergung (ohne Verletzung) – Danielsteig (Bereich Gamseck). 2 Personen verstiegen und kommen nicht mehr weiter“.

Aufgrund der mittlerweile vorhandenen Erfahrung muss man nicht Sherlock Holmes sein, um zu wissen, dass eine Taubergung durch einen Hubschrauber möglicherweise nicht machbar sein wird. Also kurz noch überlegen, wann der Hund das letzte Mal draußen war und ab ins Auto. Das notwendige Material ist mittlerweile ohnehin 24/7 im gepackt, da man nie weiß, wann das Handy läutet und BergsteigerInnen unsere Hilfe brauchen.

Während der Fahrt wird der Einsatz von einem unserer Einsatzleiter der Ortsstelle Reichenau übernommen und die Abklärung läuft. Noch am Weg in die Einsatzzentrale kommt die Information „Mannschaft mit Alpinausrüstung in die Zentrale kommen“, was sich ja gut trifft, weil ich ohnehin schon am Weg bin. Da die Personen unverletzt sind werden natürlich alle verkehrsrechtlichen Vorschriften auf Punkt und Beistrich eingehalten und knapp 25 Minuten nach Alarmierung schlage ich in der Einsatzzentrale auf. FFP-2 Maske rauf (trotz vorhandener 3t-Impfung und Test vom Vormittag eine mittlerweile normale Maßnahme) und ich melde mich bei der Einsatzleitung an. Kurz darauf folgt bereits die aktuelle Information zum Einsatz sowie die Gruppeneinteilung. Auch einer „unserer“ Alpinpolizisten aus Reichenau ist mittlerweile bei uns eingetroffen und wird uns beim Einsatz unterstützen.

Trotz Tiefnebel in Wien ist die Libelle (Hubschrauber des BMI) bereits am Weg zum Einsatzort. Die Hoffnung, dass der Einsatz doch schneller als gedacht gelöst werden kann steigt. Dennoch machen auch wir uns auf den Weg nach Hinternaßwald, um bei Bedarf eine bodengebundene Rettung einleiten zu können. Zirka am halben Weg durchs Höllental kommt dann die ernüchternde Information, dass die vermissten Personen zwar gesichtet wurden, aber aufgrund der Windverhältnisse eine Taubergung nicht möglich ist. Da es mittlerweile knapp vor 15 Uhr ist und die Dunkelheit eine Bergung schwieriger und gefährlicher macht, ist es an der Zeit das Blaulicht zu aktivieren. Mit etwas mehr Tempo geht es also weiter zum Zwischenlandeplatz. Dort angekommen kurzes Briefing mit dem Flight Operator der Polizei. Der Hubschrauber kann uns zumindest auf das Plateau bringen, damit uns der doch lange Aufstieg erspart bleibt. Ich gehe zwar gerne selber rauf, aber in diesem Fall ist ein Shuttle per Heli auch mir lieber.

Da ich mit dem Alpinpolizisten mitgefahren und knapp vor der restlichen Einsatzmannschaft vor Ort eingetroffen bin wurde entschieden, dass wir beide als erstes in die Nähe des Einsatzortes geflogen werden. In einem zweiten Hub sollen weitere BergretterInnen nach oben transportiert werden.

Beim Flug zeigt uns der Flight Operator die genaue Position der beiden Personen, welche durch einen orangen Biwaksack sehr gut im schroffigen Gelände erkennbar sind. Schon beim Überflug kommt mir der Gedanke „Naja leiwand wird das in dem Bruchhaufen nicht.“.

Etwas durchgeschüttelt, da die Windverhältnisse alles andere als super sind, kommen wir oben an und der Hubschrauber fliegt gleich wieder los um die zweite Mannschaft zu holen. Da es nicht mehr lange dauert bis die Sonne untergeht wird es für uns nun zeitkritisch und es heißt schnell sein, aber dennoch so sicher wie möglich arbeiten. Da wir leider nicht allzu nahe am Einsatzort abgesetzt werden konnten, müssen wir uns zuerst durch die Latschen „kämpfen“ und dann den genauen Punkt der beiden Personen lokalisieren. Gar nicht so einfach, wenn sie zirka 70 Meter unter der Gipfelwand sind. Zirka 10 Minuten nach Ankunft am Raxplateau haben wir die Wanderer entdeckt. Kontaktaufnahme mittels zurufen hergestellt und die Info „Bitte vor Ort warten bis wir bei euch sind!“ transportiert.

Nun wird die Sache spannend. Wie kommen wir zu den beiden, ohne dass wir sie oder uns selbst gefährden? Trotz Seil, Sicherungsmaterial, Helm, etc. ist das in diesem Gelände ein nicht allzu leichtes Unterfangen. Kurze Beratschlagung, wo wir den Versuch des Abstiegs am besten anlegen. Der Standplatz an einer dicken Latsche bildet zumindest einen ersten guten Sicherungspunkt. Mein Bruder hat mir unten noch zwei „Friends“ und einige Klemmkeile – beides mobile Sicherungsmittel – mitgegeben, da er erst mit dem zweiten Transport nachkommt. Vielleicht kann ich sie ja brauchen, so der Gedanke.
Also einbinden ins Seil und es geht über sehr brüchiges Gelände schräg in eine Schlucht. Als Zwischensicherung bietet sich ein Felskopf an, an welchem ich eine Bandschlinge drüberlege – muss ja auch nur nach unten halten. Solche Sicherungspunkte sind im Alpinklettern ganz normal und halten in der Regel auch was sie sollten.
Über zwei Kletterpassagen mit fragilen Felsen nach unten kommt schon die Info von oben „10 Meter Seil hast noch!“ was soviel heißt wie „Such dir einen Standplatz!“. Wie bestellt und nicht abgeholt steht zirka 5 Meter unter mir ein großer Felsblock angelehnt an der Hauptwand. Da auch die Luft aus der anderen Seite durchscheint, weiß ich wo mein Standplatz sein wird. Also wird dort kurzerhand die natürliche Sanduhr genutzt, um eine Blockverankerung aufzubauen. Neuerliche Kontaktaufnahme mit den beiden Personen, welche noch zirka 30 Meter rechts und 10 Meter unter mir sind. Während mein Kletterpartner nachkommt, kann ich bereits für die letzte Abkletterstelle herrichten. Schon der Blick nach unten zeigt brüchiges, wenig lohnendes Klettergelände im 1-2 Schwierigkeitsgrad.

Kaum angekommen übernimmt der Alpinpolizist wieder den Stand und ich darf die letzte Kletterpassage nach unten abklettern. „Bin schon lohnendere Dinge geklettert“, lautet ein kurzer Gedanke zu diesem Abstieg. Sicher unten angekommen führt der Weg gleich zu den beiden Personen. Beiden geht es Gott sei Dank gut – ihnen ist zwar kalt, aber sonst sind beide in einem sehr guten Allgemeinzustand. Dies wird noch wichtig werden im Aufstieg.

Zwei weitere Bergretter kommen zeitgleich über uns an und wir sprechen kurz das weitere Vorgehen ab. Einer der beiden versucht eine bessere Aufstiegsvariante ausfindig zu machen, was aber sehr schnell wieder revidiert werden muss, da ich ihn als Unterstützung am mittleren Standplatz benötige. Da beide Personen weder Helm noch Klettergurt mithaben, muss etwas improvisiert werden, bis wir den Klettergurt und Helm bei uns herunten haben. Normalerweise würden wir nun die paar Minuten warten bis alles da ist, da jedoch schon die Sonne hinter mir untergeht müssen wir schneller agieren. Der ersten Person wird ein provisorischer Klettergurt angelegt und wir beginnen den gesicherten Aufstieg zu unserem ersten Standplatz. Auch hier ist das Glück auf unserer Seite, da die Person sehr trittsicher ist und ohne Probleme die erste Kletterstelle hinter sich lässt. Am Standplatz angekommen ist mein Bruder bereits mit dem Klettergurt da und ich kann die Person übergeben. Den zweiten Klettergurt darf ich einpacken und es geht das zweite Mal nach unten – jetzt weiß ich ja schon, welche Steine ich lieber unberührt lasse.

Während ich die zweite Person auf den Aufstieg vorbereite, steigt mein Bruder mit der ersten Person am Seilgeländer nach oben. Zu diesem Zeitpunkt sind noch 20 Minuten Zeit, um den Hubschrauber zu erreichen. Danach muss er aufgrund der einbrechenden Dunkelheit den Einsatz abbrechen. „Schaffen wir es in 20 Minuten?“, ist von oben zu hören. „Leider nein, wir gehen wohl zu Fuß“ ist von unten die Antwort. Mit der zweiten Person bis nach oben und dann noch die Wegstrecke zum Landeplatz ist leider nicht machbar.

Auch der zweiten Person wird nun der Klettergurt und ein Helm angelegt. Sobald die Personen über uns weg sind, und damit die Steinschlaggefahr etwas eingedämmt, können wir die untere Kletterpassage hinter uns lassen. Der Himmel färbt sich zeitgleich orange und zeigt sich noch einmal von seiner schönsten Seite. Während wir weiter am Seilgeländer nach oben steigen, baut der Alpinpolizist noch schnell alles ab und folgt uns.

Im letzten Licht erreichen alle Personen sicher und unverletzt das Plateau. Jetzt wird noch kurz das Material in den Rucksäcken verstaut und es beginnt der Abstieg. Da beide Personen wirklich fit sind, wird keine Zeit liegen gelassen und der Abstieg erfolgt ohne Probleme. Es geht durch das Taupental zum Karl-Ludwig-Haus und anschließend über den Schlangenweg nach unten. Die Bergretter werden dabei noch von einer sternenklaren Nacht und bestem Mondlicht belohnt. Zurück in der Einsatzzentrale gibt es eine kurze Nachbesprechung, ein kaltes Getränk und Dank der Einsatzleitung noch eine Pizza für uns. Knapp nach halb 9 komme ich heim und darf noch eine kleine Runde mit meinem Hund anhängen.

Alles in allem ein fordernder, aber durchwegs interessanter Einsatz, bei welchem wir auch die eine oder andere Gelegenheit für einen Scherz nutzen konnten. Das ist Zusammenarbeit, das ist Kameradschaft, das ist Bergrettung!

Lange Einsatzserie am Osterwochenende

Lange Einsatzserie am Osterwochenende

Sechs Mal mussten unsere Bergretterinnen und Bergretter am Osterwochende trotz der herrschenden Corona-Krise ausrücken. Die Bergrettung NÖ/W und das Land Niederösterreich rufen zu erhöhter Vorsicht im alpinen Gelände auf, um Ressourcen zu schonen und um Intensivbetten für Covid-Patient/innen zu sichern.

Spitalsbetten und Ressourcen müssen in dieser kritischen Phase geschont werden. Zusätzlich sind bodengebundene Bergrettungseinsätze auch sehr mannschaftsintensiv. Entsprechend ergibt sich auch hier ein erhöhtes Infektionsrisiko – sowohl für die Verunfallten als auch für die eingesetzte Rettungsmannschaft.

Veränderte Rahmenbedingungen

„Ein Bergrettungseinsatz in Zeiten erhöhter Ansteckungsgefahr mit Covid-19 bedeutet für unsere Bergretterinnen und Bergretter in den meisten Fällen, den Corona-Richtlinien nicht Folge leisten zu können“, Landesleiter Bergrettung Niederösterreich/Wien Matthias Cernusca. Das betrifft etwa die gemeinsamen Einsatzvorbesprechungen oder die Abstände, die bei der Patientenbetreuung sowie Seilbergungen im alpinen Gelände meist nicht einhaltbar sind.

Hohe Wand

Steinschlag, ein lose hängendes Seil und ein zurückgelassener Rucksack gaben Alpinpolizei und Bergrettung am Ostersamstag Anlass zu einer Suchaktion auf der Kletterroute Betty & Paul. Auch mit dem Christophorus konnten die Kletterer nicht gefunden werden. UNSER APPELL: Um aufwändige Suchaktionen bei Fehleinsätzen wie diesen zu vermeiden, bittet die Bergrettung um Information via Notruf 140.

Rax

Zwei junge Bergsteiger aus Wien alarmierten am Ostersonntag gg. 18 Uhr  die Bergrettung auf die Rax, da ihnen der Abstieg unterhalb der Bergstation aus eigenerer Kraft nicht mehr möglich war – schließlich flog sie der Hubschrauber des BMI ins Tal.

Hohe Wand

Weiter ging es zwei Mal am Ostersonntag, als ein Pärchen kurz vor einer Steilstufe weder vorwärts noch zurück gehen konnte. Die Bergrettung versorgte sie mit Gurten und Helmen und konnte sie schließlich mit Seilsicherungen abseilen. Im Anschluss rückte die Bergrettung erneut zu einer Suchaktion aus.

Wienerwald

Am Ostermontag am Parapluieberg hat ein Wanderer eine Sprunggelenksverletzung erlitten, wonach die Erstversorgung durch die Bergrettung stattfand. Der Mann wurde anschließend mithilfe des Rettungsdienstes in das Krankenhaus Baden gebracht.

Flatzer Wand

Zum Assistenzeinsatz wurde die Bergrettung anlässlich eines Waldbrandes gerufen. Die FF Flatz hat die Hilfe der Bergrettung für die Sicherungsmaßnahmen im Felsgelände erbeten. Die Glutnester konnten sicher gelöscht werden.

Fotos: © ÖBRD
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